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Pilotprojekt für CO2-freie Wärmeversorgung

Eisspeicher in Fischerbach

Interview mit dem Geschäftsführer der Bürger-Energie Fischerbach Wärme GmbH, Arnold Schmid

Die Burger-Energie Fischerbach ist seit 2012 eingetragene Genossenschaft mit Sitz in Fischerbach in Südbaden. Sie weist zahlreiche Besonderheiten auf, die sie von anderen Energiegenossenschaften unterscheidet. So ist die Genossenschaft nicht mit Photovollaikprojekten gestartet, sondern verfolgt von Beginn an zwei schwierige Themen: Wind und kalte Nahwärme. Beide Geschäftsbereiche sind in GmbH's ausgegliedert, die Bürgerwindrad Nillkopf GmbH und die Burger-Energie Fischerbach Warme GmbH.

In letzterer arbeitet Arnold Schmid als Geschäftsführer, gleichzeitig einer der drei Vorstände der Energiegenossenschaft. CONTRASTE-Redakteur Burghard Flieger sprach mit ihm über das kalte Nahwärmeprojekt der Genossenschaft.

 

Burghard Flieger: Wieso sind Sie mit diesem Pilotprojekt für die Wärmeversorgung in Fischerbach gestartet, das ja zahlreiche Risiken bringt?

Arnold Schmid: Als Vision verfolgen wir seitens der Genossenschaft, die Gemeinde Fischerbach als energetisch unabhängigen Ort zu organisieren. Dies sollte ursprünglich mit einem herkömmlichen Nahwärmenetz umgesetzt werden. Die Energieerzeugung sollte über eine
Hackschnitzelanlage erfolgen. Unter anderem durch eine zu geringe Anschlussbereitschaft wurde die Umsetzung jedoch verworfen. An dem Vorhaben, Fischerbachs Energieversorgung durch selbst produzierte Erneuerbare Energien zu einem bezahlbaren Preis sicherzustellen, hat sich dadurch aber nichts geändert. Ob und wie dies geht, wollten wir mit der Planung und Umsetzung eines Pilotprojektes Bi-direktionales Kalt-Warme-Netz erproben. Dies ist im Neubaugebiet in Fischerbach gestartet.

Gibt es konkrete Gründe für die Entscheidung, diesen Konzeptansatz zu verfolgen?

Hintergrund sind Erkenntnisse, dass Wärmeversorgungsnetze wirtschaftlicher sein können, wenn das Temperaturniveau in den Leitungen niedrig gehalten wird. Erfahrungen der letzten zehn Jahre zeigen, dass es politisch immer mehr in Richtung kalte Nahwärme geht. Im niedrigen Temperaturbereich lasst sich leichter Umweltenergie aus Erde, Sonne, Umgebungsluft etc. erzeugen Diesen Weg zu gehen, ist sinnvoll, weil generell bei der zukünftigen Energieversorgung die CO2-Einsparung im Mittelpunkt stehen wird. Unser System mit kalter Nahwärme ist CO2-frei. Sobald es fi.ir CO2 einen angemessenen Preis gibt, hat ein solches System ohne Verbrennung fossiler Energieträger viele Vorteile. Das ist der grundsätzliche Denkansatz: Heizen ohne Verbrennen heilst heizen ohne Verluste.

Wie unterschiedet sich denn Ihr System von anderen Projekten mit kalter Nahwärme?

Die Firmen innovativSCH1VIlD aus Fischerbach und Ottensmeier Ingenieure aus Paderborn haben eine Systemlosung entwickelt. Diese
benötigt nur noch ein Bruchteil an Energie, um Siedlungen ganzjährig dezentral zu temperieren. Als zentrales Element wird ein bidirektionales Kalt-Warme-Netz genutzt, bestehend aus einem zentralen Eisspeicher, Umwelt-Energieabsorbern und Energie-Rückspeise-System. Der Wärmetransport wird durch die Verlegung einer Ringleitung als Kreislaufsystem realisiert. Eingesetzt wird ein unisoliertes Netz, das Wärmeenergie mit niedriger Temperatur zu den angeschlossenen Gebäuden transportiert. Dies kann als horizontale Geothermie charakterisiert werden, da statt in die Tiefe in die Horizontale gegangen wird. Das Netz dient als Kollektor. Das System
ist mittlerweile patentiert.

Werden für die Umsetzung eines solchen Pilotprojekts Fördermittel benötigt?

Wichtig für das kalte Nahwärmenetz in Fischerbach waren nicht zuletzt zwei Förderungen. Das Projekt erhielt April 2013 aus dem Innovationsfonds Klima- und Wasserschutz der badenova, Energieversorger mit Sitz in Freiburg, eine Förderung von 140.000 Euro bei förderfähigen Gesamtkosten von 700.500 Euro. Im Juni 2013 folgte noch eine Förderzusage vom E-Werk Mittelbaden mit Sitz in Lahr, Südbaden, in l-lohe von 50.000 Euro. Das Förderprogramm »Wärmenetzsysteme 4:0“ mit dem das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) den Bau innovativer Wärmenetzsysteme fordert, konnte nicht in Anspruch genommen werden. Dieses und vergleichbare Förderprogramme gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Kann denn mit einer Förderung in dieser Größenordnung die Wirtschaftlichkeit tatsachlich unproblematisch realisiert werden?

Eindeutige Aussagen, ab welcher Größe solche Projekte wirtschaftlich sind, lassen sich nicht treffen. Wir sprechen nicht über Zahlen und
bieten auch keinen direkten Vergleich zu Öl oder Gas an. In diesen fossilen Energietragern liegt
nicht die Zukunft. Unseren Ansatz vergleichen wir auch nicht mit Holzpellet- oder Hackschnitzelheizungen, da diese nicht klimaneutral sind Grundsätzlich handelt es sich, wie erläutert, um ein einfaches System. Einen großen Anteil der Investitionskosten macht der Eisspeicher aus. Ansonsten wird überwiegend konventionelle Technik eingesetzt.

Ab welcher Größenordnung würden Sie denn einer Energiegenossenschaft empfehlen, sich an die Umsetzung eines solchen Projekts zu wagen?

Aussagen über eine Mindest- oder Maximalgröße von Projekten der kalten Nahwärme lassen sich nicht pauschal treffen. Grundsätzlich gibt es Systeme, die sogar für Einzelhäuser eingesetzt werden können. Allerdings ist es wirtschaftlich sinnvoller, wenn die Verbraucher miteinander verknüpft sind, damit wechselseitig Energie verschoben werden kann. Sobald es sich nur um wenige Hauser handelt, macht ein verbundenes System wittschaftlich noch wenig Sinn. Je größer so ein kaltes Nahwärmesystem ist, desto interessanter wird dies auch von der wirtschaftlichen Seite her. Festhalten lasst sich allerdings, dass kalte Nahwärmenetze für weniger als 10 bis 15 Wohneinheiten sehr genau kalkuliert werden sollten, ob sich dies rechnet. Als Energiequelle muss nicht wie in Fischerbach ein Eisspeicher eingesetzt werden. Denkbar ist eine Vielzahl anderer Quellen von der Tiefenbohrung Liber Grundwassernutzung bis hin zur Flächengeothermie. Der Einsatz eines Eisspeichers weist den Vorteil auf, dass er keinerlei Risiken für die Umwelt mit sich bringt.

Wie konnten Sie denn die Hauseigentümer für den Anschluss an Ihr System gewinnen?

Bei dem Neubaugebiet in Fischerbach wurden die Grundstückseigentümer bei Kauf verpflichtet, ihr Grundstück an die Wärmeversorgungsanlagen anzuschließen. Aus Sicht der Burger-Energie Fischerbach eG lasst sich nur so ein vernünftiges Ergebnis für ein Gesamtkonzept erreichen, wenn entsprechende Rahmenbedingungen vorgegeben werden. Für die Bauherren hat sich diese Auflage nicht als Problem erwiesen. Diese Voraussetzung wurde seitens der Kommune hergestellt. Die Erschließungsgesellschaft hat die Erschließung dann entsprechen geplant und auf Informations-Veranstaltungen dafür geworben.

Sind die Hauseigentümer als Nutzende bzw. Konsumenten der Wärme auch Mitglied der Genossenschaft und damit Produzenten?

Bei dem Projekt wurden die Hauseigentümer nicht explizit als Mitglieder der Genossenschaft geworben. Teilweise gibt es Überschneidungen zwischen Mitgliedern und Grundstückserwerbern, letztlich sind aber nur wenige der Genossenschaft beigetreten.

Bieten Sie denn wärmenutzenden Mitgliedern Vorteile an?

Grundsätzlich ließen sich hier Möglichkeiten erschließen, wenn die Kunden eines Wärmenetzes gleichzeitig Genossenschaftsmitglieder
sind. Überschüsse konnten steuerfrei zurück fließen, beispielsweise über Wärmegutscheine. Die Wärmegutscheine können als eine Art
genossenschaftlicher Rückvergütung verstanden werden. Wenn sich ein solcher Kreislauf herstellen lasst mit einem steuerfreien Rückfluss von Überschüssen, ist es besonders Vorteilhaft, die Rollen Wärmekunden und Genossenschaftsmitglied miteinander zu verbinden. Das macht aber nur Sinn, wenn tatsachlich viele Bewohner zugleich Genosse und Kunden sind. Dies trifft bei uns gegenwärtig nicht zu. Zudem bringt das Einschlagen solcher neuen Wege doch einen erheblichen Zusatzaufwand mit sich, der eine einzelne kleine Genossenschaft eher überfordert.

Was sollten denn Energiegenossenschaften aus ihrer Sicht machen, wenn sie Projekte kalter Nahwärme als Geschäftsfeld entwickeln wollen?

Energiegenossenschaften, die Projekte in neu entstehenden Wohngebiet umsetzen wollen, sollten die dafi.ir Verantwortlichen möglichst früh zusammenfuhren. Sie müssen auf jeden Fall rechtzeitig auf die Kommune zugehen, um zu signalisieren, dass sie an einem Projekt Interesse haben. Solange keine Kommunikation stattfindet, kann es auch nicht zu einer Entscheidung zugunsten einer genossenschaftlichen Lösung kommen. Wichtige Argumente liegen auf jeden Fall darin, eine möglichst hohe Selbstständigkeit
der Gemeinden und Kommunen bei der Energieversorgung Liber genossenschaftliche Beteiligung zu erreichen.

Wenn Ihr Ansatz so innovativ ist, warum gibt es denn noch keine weiteren Projekte, die dies aufgreifen?

Ein zweites Projekt wird derzeit in Gutach-Bleibach bei Freiburg umgesetzt. Hier werden 36 Ein- und Zweifamilienhäuser mit einem bidirektionalen Kalt-Warme-Netz versorgt. Die Bühler Bürger Energiegenossenschaft eG ist Betreiberin des Netzes. Das lokale Energieversorgungssystem für Warme und Kalte nebst Zubehör und Erweiterungskomponenten zur Versorgung der Grundstucke befindet sich im Neubaugebiet "Alte Ziegelei". Das Konzept wird von der Gemeinde unterstützt und ist als Grundlage für die Bebauung für die dortigen Grundstückseigentümer verpflichtend. Die Genossenschaft ist Eigentümerin des Energieversorgungssystems. Es besteht im Wesentlichen aus einem Technikgebäude, einem Eisspeicher — Saisonaler Niedertemperatur-Wärmespeicher — sowie einem im Erdreich verlegten Verteilungsnetz. Das Volumen des Eisspeichers beträgt 550 Kubikmeter, die Speicherkapazität rund 50.000 kWh und die Nutzkapazität der Gesamtanlage etwa 350.000 kW. Zur Errichtung und zum Betrieb der Anlage stellt die Gemeinde Bühl der BBEG eG die Nutzung der öffentlichen Straßen, Wege und Platze sowie ein Betriebsgrundstück in der "Alten Ziegelei" zur Verfügung.

Arnold Schmid, Geschäftsführer der Bürger-Energie Fischerbach Wärme GmbH

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